The one-man-show: Populismus in der Neuauflage

Das Parlament ist ihre Bühne, die politische Realität ihr Schauspiel – charismatische Führungspersonen haben Engagements in beinahe allen Ländern Europas. In den Niederlanden findet sich ein ganz besonderes Exemplar der populistischen Elite: Geert Wilders, Kopf der islamkritischen Partij voor de Vrijheit (PVV) und ihr einziges Mitglied. Eine one-man-party im wahrsten Sinne des Wortes…

Der über ganz Europa hallende Ruf nach Sicherheit und Stabilität in unsicheren Zeiten von Finanzkrise und Postnationalismus wurde erhört. Populistische Parteien haben das Repräsentationsdefizit der etablierten Parteien als Gelegenheitsfenster genutzt und sind in vielen Ländern Europas mit ihrer one-man-show auf der politischen Bühne angekommen. Charismatische Anführer sind serienmäßig bei populistischen Parteien zu finden: Ob Silvio Berlusconi und Jean Marie Le Pen mit ihren Stammbesetzungen, oder Ronald Schill mit seinem populistischen Gastspiel. Von der Kurzversion bis zur Endlosschleife ist alles dabei. Doch wie schaffen es Populisten den Orientierungs- und Ideologieschwund der großen Volksparteien für ihre Zwecke auszunutzen?

Das Geheimnis lautet: Sich Gehör verschaffen. Viel spricht für die Behauptung, Populismus funktioniere nicht ohne den Führungsmythos. Der Blick in die Geschichte birgt eine Tendenz: Oftmals finden sich in one-man-parties populistische Elemente - und auch umgekehrt. Der Populist gibt der Partei sein Gesicht und ist das wichtigste Mitglied. Populistische Parteien leben von diesem „one man“, er ist ihr Aushängeschild. Was aus Populismus wird, wenn man die „party“ einfach weg lässt und nur noch den „one man“ auf die Bühne schickt, ist gegenwärtig in den Niederlanden zu beobachten. 

Es war einmal ein einsamer Mann…

Niederländer, blondiert, indonesische Wurzeln: Geert Wilders bewegt derzeit nicht nur die Gemüter unserer niederländischen Freunde, sondern ist in ganz Europa für seine islamkritische Politik bekannt. Diese Politik fabriziert er in seiner Partej voor de Vrijheit. Bekanntlich verderben viele Köche den Brei, daher kocht in dieser Partei der Chef noch selbst: Wilders ist einziges Mitglied - ein Zustand, der in deutschen Parteien nicht möglich ist. Die bei den Parlamentswahlen am 9. Juni 2010 errungenen 24 Sitze werden neben dem Küchenmeister selbst von Personen besetzt, die auf seiner Parteiliste kandidieren können, jedoch nicht der Partei zugehören. Die PVV ist derzeit im niederländischen Parlament die drittstärkste Fraktion und hat durch die Tolerierung der liberal-christlichen Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Rutte erheblichen Einfluss auf das Regierungshandeln. Wilders hält die Fäden in der Hand, muss mit niemanden Rücksprache halten und ebnet eine neue Ära der Parteiendemokratie: Die Partei ohne Mitglieder. Geert Wilders bietet nicht nur einen Remix der one-man-party, sondern auch eine Neuauflage von Populismus. In Europa gilt der aus niederländisch Ost-Indien – dem heutigen Indonesien – stammende Limburger als König der Rechtspopulisten. Dem muss widersprochen werden: Wilders lässt sich nicht in die europäische Liga der Populisten einreihen, er ist kein Populist à l‘ europe. Vielmehr sucht er seine politischen Vertrauten in den USA und in Israel. Seine klare Abgrenzung zu antisemitischen Gedankengut ist sein Erfolgsrezept: Der Islamkritiker macht durch diese klare Distanzierung zu Nazis und Faschisten Populismus für die Niederländer wählbar. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu dem ausbleibenden Erfolg deutscher Rechtspopulisten. Die wenigsten Parteien schaffen es, sich eindeutig von der deutschen Nazivergangenheit und von rechten Gruppierungen zu distanzieren – die Schill-Partei in Hamburg stellte in ihrer kurzen Schaffenszeit eine Ausnahme dar. Anders als Ronald Schill konnte Wilders auf erste populistische Erfahrungen in den Niederlanden bauen, das Land war populistisch vorgewärmt. Die Niederländer haben durch den Aufschwung Pim Fortuyns im Jahr 2002 bereits populistische Luft schnuppern können. Dennoch ist klar: Nicht Fortuyn, sondern Wilders hat den Populismus in den Niederlanden salonfähig gemacht.
 

Populismus ist kein Ponyhof!
Geert Wilders verkörpert eine neue Ära des Populismus. Eines ist klar: Wilders ist ein erfolgreicher Einzelkämpfer. Dies macht ihn jedoch nicht weniger gefährlich – im Gegenteil. Geert Wilders hat sich in der Personalunion seiner selbst und der Partei zum König der Populisten gekrönt. Seine eigene Instrumentalisierung zu einer Partei macht ihn flexibel. Seine Forderungen sind islamfeindlich und menschenverachtenden Charakters: So will er beispielsweise eine Steuer auf Kopftücher einführen, die „kopvoddentaks“ – wörtlich übersetzt „Kopflumpensteuer“. Diese Forderung spricht für sich. Eines ist klar: Wilders weiße Weste im Bezug auf Antisemitismus legitimiert nicht, eine neue Ära der Islamfeindschaft zu ebnen. Populismus, egal ob links, rechts, extrem, soft, laut, leise, psychisch oder physisch, ist kein Ponyhof, sondern eine Form des kollektiven Egoismus, die immer früher oder später an eine unantastbare Grenze stößt – die Menschenwürde.

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